Es gibt in aller Regel drei Arten von Kraftsportlern: diejenigen, die traditionelles Herz-Kreislauf-Training („Cardio“) hassen und wie die Pest meiden, diejenigen die es als notwendiges Übel ansehen und oftmals wohldosiert neben dem eigentlichen Widerstandstraining durchführen und schlussendlich ein letzter Schlag von Athleten – nämlich diejenigen, die es nur allzu gerne mit dem Cardio-Pensum übertreiben.
Jeder dieser einzelnen Vertreter hat vermutlich auch eine schlüssige Begründung für sein Vorgehen; sei es die Maximierung des Muskelaufbaupotenzials samt Regeneration, den Aufbau einer gewissen Grundlagenausdauer oder einfach wegen des Neuro-Cocktails – der „feel good“ Endorphine – die ausgeschüttet werden, beim Stressabbau helfen und natürlich um den Kalorienverbrauch in die Höhe zu schrauben. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle auch zugeben, dass ich kein großer Freund von stundenlangen Cardio-Einheiten bin, denn die Vorteile, die damit einhergehen, werden gerne maßlos überschätzt und die Probleme, die es verursacht, gerne unter den Tisch gekehrt.
Ihr wollt schiere Masse aufbauen? Dann ist der Verzicht auf übertriebenes Joggen vermutlich die beste Wahl die ihr treffen könnt. [1][2][3][4]
Ihr möchtet eine gewisse Grundlagenausdauer beibehalten oder diese aufbauen, weil ihr vielleicht in einer Vielzahl von Bereichen fit und trainiert sein wollt? Auch in diesem Fall ist intensives Krafttraining Trumpf, denn auch hier wird das Herz-Kreislauf-System trainiert. Wenn ihr euch noch zusätzlich in einer ausdauerbetonten Sportart, wie etwa Football oder dergleichen, engagiert, könnte Intervalltraining (IV & HIIT) eure beste Wahl sein, denn hier werden die typischen explosiven Bewegungen (Sprints), wie sie häufig beim Fußball und Football vorkommen, am besten simuliert (und es bringt euer Blut wortwörtlich zum Kochen!)
Vielleicht geht ihr aber auch in einer Diätphase über, bei der ihr die Kalorienzufuhr rigoros zurückfahren müsst. Problem: Ihr seid ein guter Esser und esst auch gerne, doch damit ihr euch nicht mit Schulmädchenportionen und permanentem Hunger abgeben müsst, kompensiert ihr mit extensiven Cardio-Einheiten, die euren Kalorienverbrauch in die Höhe treiben und euch so erlauben, mehr Tageskalorien aufzunehmen. Doch gerade das letzte Szenario erweist sich für viele Diäthaltende, die sich in etwas hineinsteigern, als fataler Sabotageakt einer Diät.
Aus diesem Grund haben uns für euch 4 typische Cardio-Fehler herausgesucht, die – seien wir einmal ehrlich – prinzipiell nicht das Problem von Aufbauphasen sind (und sein sollten), sondern viel mehr das Bestreben der Körperfettreduktion umfassen. Doch damit euch diese Fauxpas erspart bleiben, folgt nun ein kleiner Rundumschlag.
Fehler #1: Fehlende Variation
Ich kenne Leute, die reißen Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat und – auch das – Jahr um Jahr ein und dasselbe Programm ab, wenn es um Ausdauertraining geht. Bei den Kraftplänen wird viel Arbeit in Details gesteckt, in regelmäßigen Abständen die Übungen und Kadenzen gewechselt und jeder Fortschritt (oder Rückschritt) minutiös und ungeschönt dokumentiert, doch wenn es um die Gestaltung eines sinnvollen Ausdauertrainingsplanes geht, fallen viele Athleten in ein kreatives Loch.
Man findet die Leute stets auf denselben Geräten oder denselben Strecken wieder. Das Cardio-Bunny crosst auf dem Crosstrainer, der Fahrradtyp strampelt sich auf dem Ergometer ab und der Marathonläufer reißt Kilometer um Kilometer auf dem Laufband ab (und schläft fast sogar schon dabei ein).
Doch Zuwächse und körperlichen Veränderungen, die man machen konnte, wurden bereits vor vielen Äonen erzielt. Der Körper hat sich adaptiert und funktioniert nun ökonomischer (d.h. er verbraucht auch weniger Kalorien durch sparsamere, einstudierte Bewegungsabläufe). Natürlich merken das nur die Wenigsten, denn die schicken Zahlen auf den Geräten bleiben stets identisch, doch lasst euch gesagt sein: nimmt die Intensität des Workouts ab, dann verbraucht ihr auch insgesamt weniger Kalorien beim Training: Wer anfängt zu laufen, für den sind die ersten 5 Kilometer vielleicht noch eine Killereinheit, doch nach einigen Monaten kommt derselbe Mensch nicht einmal mehr ins Schwitzen.
Versteht mich jetzt nicht falsch: Wenn ihr für die Tour de France oder einen Marathon hintrainiert, dann ist der Fokus auf eine Ausdauersportart vielleicht gar nicht so verkehrt, doch auch hier wird die Leistungssteigerung irgendwann auf der Strecke zurückbleiben. Wenn euer Ziel darin liegt, die Problemzonen in den Griff zu kriegen und den Körperfettanteil zu reduzieren, ist dies aber vielleicht nicht der beste Ansatz. Euer Körper reagiert auf die Reize, die ihr ihm bietet. Durch die Inkorporation unterschiedlicher Ausdauermethoden sorgt ihr in letzter Instanz dafür, dass euer Körper nie genau weiß, was ihn erwartet. Adaption ist euer ständiger Wegbegleiter, die Bewegungsabläufe, die ihr einstudiert, werden immer komplexer und der Kalorienverbrauch pendelt sich auf einem höheren Level ein.
Fehler #2: Intervalltraining im Fastenzustand
Es ist früher Morgen und euer Wecker erfüllt pflichtgemäß seinen Dienst – innerhalb weniger Sekunden steht ihr senkrecht im Bett. Vielleicht habt ihr die Laufschuhe am Abend gar nicht mehr ausgezogen, damit es euch ja nicht in den Sinn kommt die angesetzte Laufeinheit – first thing in the morning – hinter euch zu bringen. Frühstück? Gibt es heute nicht, schließlich heißt es ja, dass die Fettverbrennung auf nüchternen Magen am besten funktioniert (siehe hierzu am besten meinen Artikel „
Nüchternes Cardio am Morgen: Kein überlegener Fettkiller“). Es wird Zeit ein paar Intervalle abzureißen!
Grundsätzlich liefert euch der oben verlinkte Artikel sämtliche Argumente, die genau diesen Mythos entkräften. Das Fastentraining zur Reduktion des Körperfettanteils, insbesondere wenn es sich um ein Intervalltraining handelt, ist nicht der Weisheit letzter Schuss und es wird euch auch nicht innerhalb weniger Woche „ripped“ und „shredded“ machen. Ihr werdet nicht nur mit aller Wahrscheinlichkeit mehr Magermasse im Verlauf der nachfolgenden Wochen verbrennen, sondern oftmals auch nicht die Trainingsintensität an den Tag legen können, die den erhofften Nachbrenneffekt mit sich bringt – klarerweise operiert ihr hier unter euren Möglichkeiten.
Probiert es mit 10 Gramm BCAAs 10 Minuten pre-workout zum Muskelschutz und esst hinterher euer Frühstück oder genehmigt euch ein fetthaltiges, proteinreiches Frühstück (etwa Bacon & Eggs oder dergleichen), welches die Insulinausschüttung wenig beeinflusst, aber dafür Energie und Proteine liefert, die anstelle eurer kostbar aufgebauten Muskeln verbrannt werden kann. Nochmal: Es zählt nicht, wie viel Kalorien ihr am Morgen verbrennt, denn auch in einer Diät werden die Toten am Ende des Tages gezählt, nämlich dann, wenn es um die Frage geht: „Habt ihr ein Kaloriendefizit aufrechterhalten?!“
Fehler #3: Kaloriendefizit durch (zu viel) Cardio
Zu Beginn einer Diätphase lautet für viele Sportler die Frage: „Soll ich mehr trainieren oder weniger essen?“ Die meisten beantworten sich die Frage ohne mit der Wimper zu zucken selbst: Beides! Man reduziert also nicht nur die Kalorienzufuhr um eine ansehnliche Menge, sondern schraubt auch gleichzeitig die Anzahl und Dauer der Cardio-Einheiten hoch – ganz so, wie ein Wettkampfathlet mit Torschlusspanik, der noch auf die letzten Tage hin möglichst viel Fett verbrennen möchte und dabei, dank eines massiven Kaloriendefizits, einen Haufen an Muskelmasse verliert.
Und hier kommt eine Info, die für viele von euch vielleicht Neuland sein wird: Cardio ist nicht nötig, um den Körperfettanteil zu reduzieren, schlank zu werden und den Beast-Mode zu aktivieren – nicht eine einzige Minute ist nötig, wenn ihr euch Gedanken um eure Ernährung macht. Es hat sich mittlerweile fest etabliert, dass die Leute versuchen schlechte Entscheidungen bei der Nahrungsmittelauswahl durch ein mehr an Laufeinheiten zu kompensieren. Und dies funktioniert auch bis zu einem gewissen Grad, doch irgendwann greift das gepredigte Mantra: „
You simply cannot outtrain bad eating habits.“
Fragt euch allen Ernstes, wie viel Cardio ihr wirklich bereit seid zu absolvieren, wenn ihr schon bei einer Stunde pro Tag (oder alle zwei Tage) seid. Irgendwann habt ihr ein Zeitproblem, irgendwann macht sich die mangelnde Regeneration bemerkbar, irgendwann seid ihr mental und körperlich ausgelaugt und die Diät kommt zum Erliegen. Wenn ihr eine Diät beginnt, dann fangt damit an, die Kalorien zu reduzieren und schlechte/unnötige Nahrungsmittel zu kicken.
Ausdauereinheiten könnt ihr nach 1-2 Monaten einbauen, wenn ihr an einem Punkt angekommen seid, an dem ihr die Kalorienzufuhr nicht länger senken könnt (weil es ungesund wird) und wo die Diät stagniert. Fangt langsam an, steigert das Pensum solange sukzessive, bis ihr bei 400 zusätzlich verbrannten Kilokalorien pro Tag landet - maximal! Auf die Art und Weise verschießt ihr euer Pulver nicht gleich zu Beginn eurer Diät, ihr brennt nicht zu schnell aus und verheizt auch nicht zu viel schierer Masse.
Fehler #4: Fehlende Intensität durch Wild-West Cardio
Diesen Punkt werde ich vergleichsweise kurz halten, da ich denke, dass dies intuitiv Sinn machen sollte. Im Verlauf meiner Trainingskarriere habe ich ja so manchen abenteuerlichen Einheiten beigewohnt – allen voran Personen, die sich mit Kurzhanteln auf das Laufband stellen und sich dann curlend in einen ekstatischen Zustand trainieren. Die Idee hinter der Kombination verschiedener Methoden ZUR GLEICHEN ZEIT basiert auf der Idee des zusätzlichen Kalorienverbrauchs. Tatsächlich erhöht sich durch diese Art des Trainings, die ich liebevoll „Wild-West“-Cardio nenne, lediglich die Verletzungsgefahr.
Und wenn wir ehrlich sind, macht es noch nicht einmal viel Sinn, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Trainingsintensität leiden wird, wenn man sich auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentriert. Um noch einmal das Beispiel mit dem curlenden Läufer aufzugreifen: die investierte Arbeit würde viel mehr Sinn machen, wenn sich der Kollege dazu entschließen würde in HIIT-Manier ordentlich Dampf zu geben, als langsam dahinkriechend mit 3kg-Kurzhanteln herumzuhampeln.
Ausgenommen von diesem Einspruch ist das Training mit speziellen Trainingswesten, die extra für ein derartiges Training entworfen wurden. Hier wird das Gewicht gleichmäßig auf dem Körper verteilt und so die Verletzungsgefahr minimiert. Mit einer guten Gewichtsweste kann man die Trainingsintensität von Laufeinheiten erhöhen und so ein höheres Körpergewicht simulieren – doch dies ist bei weitem keine Methode für Trainingsanfänger.
Abschließende Worte
Beachtet diese 4 Punkte, wenn ihr das nächste Mal in die Konzeptionsphase einer Diät eintaucht. Cardio-Training kann aus den richtigen Gründen heraus Sinn machen. In seiner Funktion als Fettkiller ist die traditionelle Ausdauermethode (niedrige Intensität auf langer Dauer) aber maßlos überschätzt. Wenn ihr es mit dem Ausdauersport übertreibt, beraubt ihr euch nicht nur eures Muskelaufbaupotenzials (siehe verlinkte Studien), sondern verbrennt auch noch zusätzlich die Masse, die ihr bereits hart erarbeitet habt.
Am Ende eines solchen Zyklus habt ihr vielleicht eine beachtliche Menge an Fett verbrannt – doch gleichzeitig seid ihr so dünn wie noch nie. Der Blick in den Spiegel wird euch dann vielleicht trotz der gewünschten Zahl auf der Waage nicht besonders gefallen…
Quellen
[1] Babcock et al. (2012): Concurrent aerobic exercise interferes with the satellite cell response to acute resistance exercise. In: American Journal of Physiology. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22492813.
[2] Wilson et al. (2012): Concurrent training: a meta-analysis examining interference of aerobic and resistance exercises. In: Journal of Strength and Conditioning Research. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22002517.
[3] Jones et al. (2013): Performance and Neuromuscular Adaptions Following Different Ratios of Concurrent Strength and Endurance Training. In: Journal of Strength and Conditioning Research. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23524363.
Kommentare (1)
Peter klug
September 28, 2013 10:49Der Beitrag ist ja nicht uninteressant, beantwortet aber die von ihm selbst gestellt Frage nicht, wie reduziere ich Körperfett? Das funktioniert nur im unteren Intensitätsbereich! Man kann den entsprechenden Bereich durch Ergospirometrie genau feststellen, geht der RQ(Respiratorischer Quotient) gegen 1,0 ist man in der Glykogen(Zucker)-Verbrennung,; geht er gegen 0,7 ist man in der Triglyceride (Fett)-Verbrennung...eine entsprechende Literaturrecherche kann da sehr hilfreich sein z.B: Dazu schrieben: Donath und Schüler in „Ernährung der Sportler“ (Sportverlag Berlin 1985): „…Durch ein sinnvolles Zusammenspiel verschiedener Regelmechanismen verwirklicht der Organismus das Prinzip, bei jeder Belastung solange wie möglich einen großen Anteil des Energiebedarfes mittels der Fettverbrennung zu decken und die Kohlenhydratreserven zu schonen…" Dazu schrieben: Biesalski u.a. in „Ernährungsmedizin“nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer (Thiemeverlag 1999): „...Die Oxidation von Fett kommt vor allem bei langandauernden Belastungen mit niedriger oder mittlerer Intensität zum tragen; eine effektive Fettverbrennung setzt eine ausreichende Versorgung mit Sauerstoff voraus...“ Dazu schrieben: Linnemann und Kühl in „Biochemie für Mediziner“ (Springerverlag 2002): „...Im ruhenden Skelettmuskel stellen Fettsäuren die Hauptbrennstoffquellen dar, Glucose wird nur in relativ geringen Umfang verbraucht..." Viel Erfolg beim lesen Mit sportlichen Grüßen Peter K l u g