In der Welt des Kraftsports und Muskelaufbaus dreht sich – wenn wir auf die Ernährung zu sprechen kommen - nahezu alles um Protein. Seit jeher liegt die Betonung auf dem Verzehr von hochwertigem Eiweiß oder dem strategischen Einsatz spezieller Aminosäuren zu bestimmten Tages- und Trainingsphasen (z.B. BCAAs vor dem Training oder Glutamin, bevor es ins Bett geht) – und das natürlich zu Recht, denn immerhin stellt dieser Makronährstoff den notwendigen Baustein für die Synthese von schierer Masse dar und besitzt noch eine ganze Reihe interessanter Eigenschaften, die der Gesundheit zuträglich sind. Die Konklusion, zu der man schnell kommt, ist relativ einfach: Kein Eiweiß, kein Muskelaufbau.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die beiden anderen Makronährstoffe nur allzu gerne in den Hintergrund gedrängt werden – obwohl ihr Anteil an einem gesunden und durchtrainierten Körper mindestens genauso entscheidend ist, wie die passende Proteinzufuhr.
Außerhalb des Ausdauersports genießen insbesondere Kohlenhydrate zu Unrecht einen zweifelhaften Ruf. Von vielen als „Dickmacher“ verschrien, ist es mittlerweile en vogue geworden die Kohlenhydratzufuhr drastisch zu reduzieren und die fehlende Energie in Form von Eiweiß zu kompensieren. Während diese Methode, deren gesetztes Ziel darin besteht die Insulinausschüttung zu minimieren, noch in der Definitionsphase durchaus Sinn ergibt, verzichten zahlreiche Athleten selbst im Aufbau auf die schnell-verwertbare Energie – in der Hoffnung, dass der Aufbau der Muskulatur möglichst fettfrei verläuft.
Tatsächlich berauben sich viele Bodybuilder der wohltuenden Wirkung der Kohlenhydrate und erliegen einer Fehlannahme:
Nicht die Kohlenhydrate sorgen für das Anwachsen des Depotfetts, sondern die großzügige Zufuhr von Energie, die vom Körper nicht verbraucht wird – dabei ist es prinzipiell egal ob dies in Form von Fett, Protein oder Kohlenhydraten erzielt wird. Was wird nun vergessen?
Kohlenhydrate ermöglichen es einem Athleten nicht nur härter und länger zu trainieren (Glykgogen-Resynthese), sondern sie limitieren auch die trainingsinduzierten Schäden an der Muskulatur (was später zu einer besseren & schnelleren Regeneration führt) und sie schützen auch das körpereigene Immunsystem. (siehe hierzu meinen Artikel: „
Intra Workout Nutrition: Kohlenhydrate für höhere Trainingsintensität“)
Kohlenhydrate haben damit einen signifikanten Einfluss auf unser tägliches Wohlbefinden und stellen dank ihre stimulierenden Eigenschaft des Speicherhormons Insulin eine der größten Triebfedern zur Aktivierung anaboler Signale zum Aufbau von Muskelmasse im menschlichen Körpers dar.
Grund genug den Makronähstoff als strategische Variable zu sehen, die - genossen in den richtigen Mengen und zur richtigen Tageszeit – eine vorteilhafte Wirkung auf die Körperkomposition entfaltet. Daher folgen von uns ein paar grundlegende Tipps, die ihr bei der Planung eurer Ernährung beherzigen solltet.
Regel #1: Esst komplexe Kohlenhydrate
Dies ist vermutlich der Punkt, auf den man zu Beginn seiner Trainingskarriere am schnellsten aufmerksam wird, sobald man sich einmal näher mit gesunder Ernährung auseinandersetzt – und auch wenn eine bodybuilding-gerechte Ernährung von vielen Seiten als nicht unbedingt gesund angesehen wird, so lässt sich sagen, dass die Implementation komplexer Kohlenhydrate, wie man sie in Vollkornprodukten und braunem Reis findet, der erste Schritt zu einem gesünderen Lifestyle darstellt (wenn man sich bisher von Industrieware und anderem Junk ernährt hat).
Komplexe Kohlenhydrate sorgen nicht nur für die Regeneration der muskulären Energiespeicher (Glykogen), sondern sie schonen auch in der langen Frist eure Bauchspeicheldrüse. Da die Nährstoffe relativ langsam in den Blutkreislauf eintreten, ist auch der Anstieg des Blutzuckers flacher (und langanhaltender), was dafür sorgt, dass euer Körper mit einem stetigen Zustrom an Energie versorgt ist. Abgesehen davon liefern euch Lebensmittel, die hauptsächlich aus komplexen Kohlenhydraten versorgen, eine nicht zu unterschätzende Menge an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, die für die reibungslose Funktionalität des Körpers notwendig sind und einen Beitrag zu eurem Wohlbefinden leisten.
Wichtig: Erhöht die Zufuhr komplexer Kohlenhydrate schrittweise, um Verdauungsprobleme vorzubeugen. Wenn ihr vorher viele Weißmehlprodukte und Junkfood gegessen habt, benötigt euer Körper eine gewisse Anpassungszeit, um mit der nährstoffreicheren Kost fertig zu werden.
Regel #2: Esst Kohlenhydrate unmittelbar nach dem Training
Es gibt de facto einen Tages-Zeitfenster im Leben eines Bodybuilders, wo die Zunahme an Fett nahezu unmöglich erscheint: Die Post-Workout-Phase. [6] (Unter der Annahme gesunden Menschenverstandes und keinem Fressflash jenseits der 10.000 kcal Grenze) Es gibt eine ganze Reihe von Sportlern, die in der Zeit nach dem Training auf die Zufuhr von (regenerativen) Kohlenhydraten verzichten, in der Annahme, dass sie so mehr Fett abnehmen oder den Fettzuwachs minimieren können.
Lasst euch gesagt sein: Es gibt nichts Schlimmeres als das, wenn ihr eine vorteilhafte Rekomposition des Körpers anstrebt. Zum einen erfolgt durch die Aufnahme kurzkettiger Kohlenhydrate in Kombination mit hochwertigem Protein (etwa Whey) eine maximale Stimulation der Proteinsynthese und zum anderen sorgt die nachfolgende Einnahme einer kohlenhydratreichen Mahlzeit für eine andauernde anabole Signalwirkung und Energieversorgung, die nicht nur die geplünderten Energievorräte auffrischt, sondern auch gleichzeitig die Weichen für den langfristigen Muskelaufbau stellt. [1]
Einige Experten behaupten indes, dass es in der PWO-Phase auch ein einfacher Whey-Shake mit Wasser tut. Auch dies ist eine Fehlannahme, die in der wissenschaftlichen Forschung immer und immer wieder widerlegt wurde. Zwar stimuliert einfaches Whey die Proteinsynthese in gewissem Ausmaße, doch ist eine Maximierung der Proteinsynthese (und Minimierung der katabolen Phase) so nicht zu erreichen. [2] (Die Kombination von Protein+Kohlenhydraten zu Protein rund 138 % so effizient, wie die Zufuhr von Protein alleine)
Regel #3: Esst kleinere Mengen im Verlauf des Tages
Aufgrund der stark sättigenden Wirkung komplexer Kohlenhydrate und der stetigen Energieversorgung, empfiehlt es sich die tägliche Zufuhr auf mehrere kleinere Mahlzeiten zu verteilen. Dies sorgt nicht nur für eine bessere Insulinkontrolle (und einen gleichmäßigen Blutzuckerspiegel), sondern verhindert auch gleichzeitig akute Energiemängel und Müdigkeitserscheinungen (wie sie z.B. bei opulenten Mahlzeiten – gerne zu Mittag – auftreten).
Die Zufuhr verarbeiteter Kohlenhydrate bzw. von Einfachzucker sollte dagegen gänzlich auf den Zeitraum im und ums Training herum beschränkt werden.
Regel #4: Achtet auf die Ballaststoffzufuhr
Wenn ihr die Punkte #1 und #3 beherzigt, dann sollte das Einhalten dieser Regel keinerlei Probleme darstellen, da ihr ohnehin eine großzügige Portion an Ballaststoffen mit der täglichen Ernährung aufnehmt. Setzt, wann immer es euch möglich ist, auf grünes Gemüse (Kohl/Sauerkraut, Brokkoli, Spinat) um den Vitamin- und Mikronährstoffgehalt eurer Mahlzeiten aufzuwerten.
Ein hoher Ballaststoffanteil erhöht nicht nur die Sättigungswirkung einer Mahlzeit (und senkt damit nachfolgenden Hunger, [3] sondern sorgt obendrein für eine geregelte Verdauungstätigkeit, sowie weitere gesundheitliche Vorteile, wie etwa die Senkung des Cholesterinspiegels. [4]
Regel #5: Minimiert den Konsum von Obst
Mit Regel 5 steche ich vermutlich in ein regelrechtes Wespennest, doch im Gegensatz zu Gemüse macht es sehr wohl Sinn den Obstkonsum einzuschränken bzw. auf die kurzfristige Phase vor und nach dem Training zu limitieren. [5] Verarbeitete Obstprodukte und Säfte sollten sogar gänzlich von eurer Speisekarte gestrichen oder nur selten genossen werden; die Verarbeitung der Frucht sorgt im Wesentlichen für die Entfernung natürlicher Barrieren (Störung der Zellstruktur & geringer Ballaststoffgehalt) die eine Fettakkumulation begünstigen. Da der menschliche Körper nur geringe Mengen an Fruktose in der Leber speichern kann, wandert der Großteil des Fruchtzuckers postwendend und insulinunabhängig in die Fettdepots des Körpers.
Paradoxerweise setzen viele Diabetiker zur Minimierung der Insulinausschüttung auf das Substitut Fruchtzucker – dies schont zwar die Bauchspeicheldrüse, sorgt aber in letzter Konsequenz für ein stetig steigendes Gewicht.
Dies bedeutet nun natürlich nicht, dass schlanke Menschen gänzlich auf Obst verzichten sollten oder müssen, sondern nur, dass es nicht als „schneller Snack“ zwischen den Mahlzeiten gesehen werden sollte, wenn man sich ansonsten nur wenig bewegt hat. Effizient getimed und vor dem Training genossen, kann eine kleine Menge an Fruchtzucker (~20 bei einem 60-minütigem Workout) sogar leistungssteigernd wirken. [5]
Abschließende Worte
Kohlenhydrate genießen zu Unrecht einen schlechten Ruf in der Welt der Sporternährung. Wenn ihr ein Bürohengst seid und auch im restlichen Tagesverlauf nur wenig Bewegung habt (und nicht trainiert), macht es Sinn die Zufuhr von Kohlenhydraten in der täglichen Ernährung zu beschränken.
Dieser Sachverhalt ändert sich jedoch stark, wenn ihr zum trainierenden Volk gehört, eure muskuläre Regeneration beschleunigen und euer Immunsystem stärken wollt. Kohlenhydrate können mit Fug und Recht als „Energiesupplement“ gesehen werden, die für einen Sportler – und speziell für einen Athleten mit dem Wunsch nach mehr Muskelmasse – einige vorteilhafte Effekte entfalten, wenn sie in der richtigen Menge und (je nach Art) zur richtigen Tageszeit konsumiert werden.
Die Annahme, dass Kohlenhydrate dagegen in massiver Art und Weise in Fett umgewandelt werden und so zu einer schlechten Körperkomposition beitragen, sind unbegründet, wenn der Makronährstoff als das gesehen wird, was er tatsächlich ist: eine strategische Komponente für Sportler und Athleten.
Quellen
[1] Zawadzki, KM. / Yaspelkis, BB. / Ivy, JL. (1992): Carbohydrate-protein complex increases the rate of muscle glycogen storage after exercise. In: Journal of Applied Physiology. URL: http://jap.physiology.org/content/72/5/1854.abstract.
[2] Levenhagen et al. (2001): Postexercise nutrient intake timing in humans is critical to recovery of leg glucose and protein homeostasis. In: American Journal of Physiology. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11350780.
[3] Howarth et al. (2001): Dietary Fiber and Weight Regulation. In: Nutrition Reviews. URL: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1753-4887.2001.tb07001.x/abstract.
[4] Brown et al. (1999): Cholesterol-lowering effects of dietary fiber: a meta-analysis. In: The American Journal of Clinical Nutrition. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9925120.
Kommentare (1)
Patrick
October 10, 2013 22:02ist es denn dann nicht sinnvoll wenn man gleich weight gainer konsumiert weil da hab ich ja dann gleich eiweiß und kohlenhydrate in einem oder ?