Das Jenke-Experiment: 10kg Körperfett weg in 4 Monaten – Im Ernst?

Es wurde in allen Fitness-Foren, allen Fitness-Communities sowie auf etlichen Privatprofilen aktiver Sportlerinnen und Sportler in Facebook groß und breit angekündigt, das Jenke-Experiment „Bodybuilding“! Der experimentierfreudige Journalist stellt sich der Herausforderung von 4 Monaten härtestem Drill mit dem Ziel, nicht nur sich selbst in Form zu bringen sondern sich auch mit einer Bodybuilding-Konkurrenz auf der Bühne zu messen. Wie das Jenke-Experiment auf mich gewirkt und welch ein Diskussionsfeuer es entfacht hat erfahrt ihr jetzt.

Der Einstieg

Los ging es mit einem Besuch des legendären Muscle-Beach und keinem geringeren als Bodybuilding-Größe Rich-Piana, der Mann dessen Bizeps nach eigener Aussage 58cm misst. Ein kurzes Interview in welchem Rich indirekt ein kleines Dopinggeständnis ablegt und ein paar wirklich beeindruckende Bilder aus dem GoldsGym in L.A. und schon wechselt die Doku nach Deutschland wo das Training beginnt. Der Personaltrainer und ehemalige Leichtathlet Clifford Opoku-Afari übernimmt die Rolle des Drill-Sergeant. Eindrucksvoll sieht man im Beitrag 10kg Schweinefett um die es gehen soll. Mit einem Ausgangsgewicht von 83,5kg und einem Ausgangs-KFA von 28% bedeutet dies eine Fettmasse gesamt von 23,38kg die Jenke mit sich herum schleppt.

Das Training

Zur Maximierung des Muskelaufbaus und gleichzeitigen Fettabbaus soll ein Ganzkörpertraining beitragen welches mehrmals wöchentlich absolviert wird. Das Experiment findet nicht in einem Fitness-Club sondern im privaten Übungsraum von Cliff statt, d.h. kein großer Gerätepark und (zumindest was man sieht) auch weniger die Verwendung größerer Mengen Trainingsgewichte sondern hauptsächlich funktionelles Training mit dem eigenen Körpergewicht, mit Seilen oder Stangen. Meine Anmerkungen Leider schafft es der Coach während der ganzen 120 Tage nicht, Jenke Spaß und Freude am Sport zu vermitteln was sehr schade ist. Die Ursache dafür ist wahrscheinlich wie immer bei beiden Parteien zu suchen. Jenke selbst hat sicher etwas zuviel gejammert, vielleicht war aber auch das Trainingsprogramm an sich etwas zu „motiviert“ geplant, immerhin wird von stetigem und täglichem Muskelkater berichtet und das anscheinend über die vollen 120 Tage. Den Ansatz des funktionellen, wenig gerätegestützten Trainings finde ich zumindest für den Anfang des Experiments nicht schlecht und hätte ihn für einen Neueinsteiger ähnlich gewählt. Die Frage ist, ob man nach den ersten vier Wochen für noch bessere Ergebnisse nicht lieber weg vom Ansatz des Ganzkörpertraining, hin zu typischen hypertrophiespezifischem Training in einen gut ausgestatteten Fitness-Club hätte wechseln sollen. Als FitnessFreak habe ich im Beitrag eine komplette Vorstellung des Trainingsplanes vermisst, weshalb ich mir kein allzu jähes Urteil erlauben kann. Einmal ist im Beitrag die  Rede von „immer denselben Übungen“, das wäre natürlich in der heutigen Zeit sehr schade.

Die Ernährung

Im Punkto Ernährung setzt Cliff wie es scheint auf einen typischen Low-Carb-Ansatz, einzig eine Szene in der Carbs anscheinend erlaubt waren verheißt zumindest so etwas wie einen „Aufladetag“, ansonsten beschwert sich Jenke sogar in seinem Urlaub während des Experiments über leckeres Grillgemüse und Fleisch. Meine Anmerkungen Man kann leider nur erahnen was Jenke nun wirklich alles zu essen bekommt. Kein Ernährungsplan, keine detaillierte Erklärung des Coach und auch ausbleibende Informationen zu den Kalorien und der Makronährstoffverteilung lassen hier bei allen FitnessFreaks eine Lücke klaffen, was allerdings noch interpretierbar war, ist der Verzehr hoher Mengen Protein da es notwendig war, sich im Supplement-Store mit Proteinpräparaten einzudecken. Klischee-erfüllend in meinen Augen die Szene mit den Reiswaffeln – Liebe Leserinnen und Leser, NEIN nicht jeder Bodybuilder isst Reiswaffeln!

Angelinas Versuch nach der Schwangerschaft abzunehmen

Während Jenke an sich arbeitete, gab es im Beitrag insgesamt 3 Randthemen. Nummer 1 war der Besuch in der Beauty-Farm, wo sich Jenke für 1000 Euro eine Hautverjüngung des Gesichts gönnte. Nummer 2 war Angelina, zum Zeitpunkt des Experiments frische Mutter mit Ambitionen, innerhalb von 10 Wochen mit einem uns als Szene-Kenner allen bekannten Programm bestehend aus Ernährungs- und Trainingsvorgaben für zu Hause, 20kg abzunehmen. Ins Brautkleid schlüpfend oder nicht konnte Sie binnen 10 Wochen bei weitem nicht einmal die Hälfte der angestrebten Kilogramm (7kg) verlieren. Prinzipiell ist ein Gewichtsverlust von 0,7kg pro Woche gar kein ganz schlechter Wert, was hier aber geschah ist besonders für FitnessFreaks viel interessanter. Meine Anmerkungen Das auserwählte Programm sieht die Aufnahme sehr weniger Kohlenhydrate, vieler kleiner Mahlzeiten und die Ausführung eines definierten Trainingsprogramms vor. Im Bericht erfährt man, dass die Hebamme der frischen Mama ihr noch vor Beginn des Experiments von der Reduzierung des Kohlenhydratanteils abgeraten hat, da dies Einfluss auf das Stillen (die Qualität der Muttermilch) nehmen könne. Was lässt sich daraus ableiten?
  1. Angelina hat sich von Tag 1 an 0,0 an die Ernährungsvorgaben des Systems gehalten, da sich für Sie nach eigener Aussage neben der starken Einschränkung bei Kohlenhydraten auch die Mahlzeitenfrequenz als völlig unpraktikabel heraus stellte
  1. Sollte die Hebamme Recht behalten, wäre das ein absolutes KO-Kriterium für diese Art Ernährungssystem insbesondere für frisch gebackene Mütter die stillen und trotzdem wieder in Form kommen möchten. DAS ist es was man aus dem Jenke-Experiment erfährt.
Auch der Begründer meldet sich zu Wort Im Hintergrund laufen  seitdem etliche Diskussionen über dieses „missglückte“ Experiment und auch der Gründer Julian Zietlow des eingesetzten Systems geht mit jeher Kritik zur Berichterstattung an die Öffentlichkeit. In seinen Augen wurde zu früh nach der Geburt mit dem Programm begonnen und das Projekt wurde absichtlich schlecht dargestellt um das eigentliche Jenke-Experiment nicht ins schlechte Licht zu rücken.

Randthema 3 – Doping

Natürlich darf es im deutschen Fernsehen keinen Beitrag zum Thema Bodybuilding geben ohne das Thema Doping auszulassen. Als bekennenden Doping-Sünder hat man sich einen jungen Trainierenden ausgesucht, der nach eigener Aussage „Zauberpillen“ geschluckt hat um schneller an Muskeln zu gelangen. Seine Begründung: Er wurde gehänselt und veräppelt und wollte mit vielen Muskeln ein Zeichen setzen um seine Ruhe zu haben. Meine Anmerkungen Ein Beitrag der von Training, Ernährung und einer Lebenseinstellung handelt wird um diese Szenen inkl. Anti-Dopingberater in meinen Augen absolut nicht bereichert. Was sollen Eltern trainierender Jugendlicher denken wenn sie diesen Beitrag gesehen haben? Suggeriert wird, dass „Zauberpillen“ in jedem Fitness-Club angeboten werden und das schon für 50 Euro. Wieder einmal ein jäher Imageverlust für unseren Sport zum dem ich mich gar nicht weiter äußern möchte ohne ausfällig zu werden.

Die Ergebnisse

Abschließend präsentiere ich Euch die Ergebnisse vom Jenke Experiment in tabellarischer Form
Gewichtsentwicklung
Vorher NacherVeränderung
83,588,1+4,6
Körperfett und Muskelzuwachs
Vorher NacherVeränderungMuskelzuwachs
28%19,5%6,5kg10kg
Meine Anmerkungen Als ebenfalls aktiver Coach kann ich Euch sagen, dass es ausgehend von der Statur und dem Trainingsstatus von Jenke nicht unmöglich ist, für eine bestimmte Zeit Muskeln gleichzeitig auf und Fett abzubauen. Auch die Reduzierung des Körperfettgehalts um 8,5% in 16 Wochen entspricht einer absolut reellen Reduzierung von etwa 0,5% pro Woche. Wahrlich keine Meisterleistung aber ein Wert dem ich mein OK geben kann. Etwas ungläubiger werde ich, wenn es um das Ergebnis des Muskelaufbaus geht. 10kg entsprechen 10.000g und damit einem täglichen Muskelzuwachs (ausgehend von 120 Tagen) von gut 83g, dass alles anscheinend aber in Verbindung mit einer Kalorienbilanz die den Abbau von Körperfett gleichzeitig zulässt und das ebenfalls in Verbindung mit einem Ganzkörpertraining ohne schwere Trainingsgewichte. Ohne mich zu weit aus dem Fenster zu lehnen wäre es hier schon mit dem Teufel (oder mit der Zauberpille J ) zugegangen wenn es sich genauso verhalten hätte. Die Optik am Tag des Wettkampfs zeigt jedenfalls einen deutlich besser gebauten Athleten, der natürlich mit der Konkurrenz nicht mithalten kann, DAS war sicherlich aber auch nicht das Ziel des Jenke-Experiments.

Resümee

Während das „Angelina-Projekt“ egal wie man es interpretiert und egal wo der Schuldige zu suchen ist ein richtiger Reinfall war, darf man das Jenke-Experiment als recht erfolgreich bezeichnen. Für den Otto-Normalverbraucher setzt der Bericht (mit Ausnahme der Szenerie rund ums Doping) ein Zeichen, dass man mit harter Arbeit und eisernem Willen auch mit 50 Jahren noch Großes erreichen kann. FitnessFreaks kommen nicht ganz auf ihre Kosten, da für uns wichtige und interessante Details leider im Beitrag nicht genannt werden. Ich für meinen Teil wünsche mir mehr derartiger Berichte mit mehr aufklärenden Elementen rund um das was für uns den „Alltag“ darstellt.
Tags: Muskelaufbau bodybuilding Körperfett Diät

Kommentare (2)

Oliver

February 25, 2015 19:01

Naja, wenn ich schon im Groben die Methoden erkenne, die irgendwo zwischen den Neanderthalern und Turnvater Jahn liegen, dann interessieren mich ehrlich gesagt die Details auch schon gar nicht mehr. 10kg Muskelzuwachs ist zwar tatsächlich möglich (ich konnte dies bereits mehrfach mit Kunden erreichen in ähnlicher Zeit), allerdings kann ich mir das bei einem 50-jährigen generell aktiven Mann mit einem solch schlecht und die ganze Zeit nicht periodisierenden Trainingsplan beim besten Willen nicht vorstellen. Das würde ich dann gerne mal nachmessen^^ Ich glaube im Übrigen, dass der Jenke da gerne bei seinen "Experimenten" etwas gequält und leidend rüber kommt. Man soll ja die "Waghalsigkeit" von ihm bloss nicht übersehen ;-) Ich habe jedenfalls noch keinen meiner Kunden länger als einen Monat rum jammern gehört und da waren sicherlich *harte Fälle* dabei... Nur zur Anmerkung: nach meinem aktuellem Wissensstand geht man übrigens NICHT mehr davon aus, dass man einen KCal-Überschuss zum Muskelaufbau benötigt, sondern dass man auch dauerhaft Fettreduktion und Muskelaufbau vereinen kann. Klar, ich weiss, klingt erstmal fürchterlich für alle, die sich damit seit Jahren oder Jahrzehnten auseinander setzen, aber ich habe mich damit jetzt nochmal (!) ein paar Wochen beschäftigt... und es klingt tatsächlich logisch. (Vgl. Studie: International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 2011, 97-104 © 2011 Human Kinetics, Inc. "Effect of Two Different Weight-Loss Rates on Body Composition and Strength and Power-Related Performance in Elite Athletes" Ina Garthe, Truls Raastad, Per Egil Refsnes, Anu Koivisto and Jorunn Sundgot-Borgen)

holger

February 27, 2015 13:10

Lieber Oliver, was du hier an Studienmaterial anführst ist schon seit 20112 bekannt berücksichtigt jedoch nicht das entscheidende Quäntchen welches wieder einmal Theorie und Praxis voneinander unterscheidet nämlich die beiden Begriffe SIGNIFIKANZ UND DAUERHAFTIGKEIT. Wenn ich 10 Jahre (beispielhaft in den Raum geworfen) Zeit habe, kann ich lean mit 10% KFA und isokalorisch einen beachtlichen Körper nahe des FFMI aufbauen. Wenn ich das Maximalprinzip verfolge werde ich mit einer leicht hyperkalorischen Versorgung arbeiten und damit schneller ans Ziel kommen. Für solche Erkenntnisse benötigt es keiner Studien sondern lediglich Erfahrungswerte. Da ich seit nunmehr 10 Jahren Sportlerinnen und Sportler aus etlichen Disziplinen betreue weiß ich wie ein sportlicher Körper tickt. Der Eine immer etwas anders als der Andere, grundlegende Gegebenheiten sind jedoch bei nahezu allen von uns gleich! Beste Grüße Holger Gugg

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