Mythos Kalorienverbrauch: Fett Vs. Muskeln

Vielleicht hat sich die Neuigkeit bereits in eurem Kries herumgesprochen oder vielleicht ward ihr eines Tages so neugierig, um selbst Nachforschungen anzustellen – immerhin sind die Infos dank der Errungenschaft des Internets nur noch einen Klick entfernt. Ähnlich wie bei einem Apfelbaum muss man nur noch herantreten und die Frucht von ihrem Platz pflücken, oder? Holen wir also den Obstkorb hervor und beginnen mit der fetten Ernte! Mittlerweile dürften wir zahlreiche Mythen rund um das Training, Fitness und Ernährung für euch analysiert und zum größten Teil entzaubert haben, doch wie so oft gibt es noch eine ganze Menge mehr, die noch unserer Aufmerksamkeit erfordern. Eine der beliebtesten Behauptungen in der Fitness- und Kraftsportindustrie, der wird noch nicht nachgespürt haben, besteht darin, dass schiere Muskelmasse eine viel höhere Stoffwechselrate aufweist als Fett und das es viel schlauer ist, wenn man erst ordentlich draufpackt, um dann – mit Hilfe des beschleunigten Stoffwechsels durch X kg an Muskeln - abzunehmen. Und nur die wenigsten Athleten stellen diese Behauptung in Frage, immerhin scheint es intuitiv Sinn zu ergeben: Muskeln sind Energiefresser die selbst während der Zeit, wo man nicht trainiert, einen gewissen Energiesatz verbrauchen und so den Kalorienbedarf in die Höhe treiben. Vorab sei deswegen klargestellt: Es stimmt, dass Muskelmasse einen höheren Energieumsatz bedingt, als Fett doch gleichzeitig muss die Relation der Verhältnisse gerade gerückt werden, denn die Menge, in der ein Kilogramm (oder zehn oder zwanzig) schierer Muskulatur den Metabolismus beeinflusst, wird maßlos überschätzt – und DAS ist noch untertrieben, wie ihr gleich sehen werdet.

Muskeln & Energieverbrauch

Alles könnte so einfach sein, wenn die vielen Milchmädchenrechnungen von Trainern und Experten, sowie zahlreichen Fitnessseiten im Web aufgehen würden: Baue 5-10 kg an Muskelmasse auf und steigere so deinen Energieverbrauch (Tages-Kalorienbedarf) um 500 oder gar 1000 zusätzliche Kilokalorien. Wie sonst könnte man sich die vielen Massemonster erklären, die quasi rund um die Uhr am Essen sind und dabei mit einem Körperfettanteil jenseits von Gut und Böse – nämlich im einstelligen Bereich - herumlaufen? Natürlich, es müssen die vielen Muskeln sein – diese Energiefresser – die alles, was der Typ ihnen in Form von Nahrung aufbietet, sofort metabolisieren und die Fettzellen aushungern, richtig? Falsch. Es stimmt zwar, dass schiere Muskulatur einen höheren Energieverbrauch mit sich bringt als Fett, [1][2][3][6] doch der Umfang, in dem dies geschieht, entspricht nicht etwa 40, 60 oder gar 100 verbrannt Extra-Kilokalorien pro Kilogramm Magermasse pro Tag. Die tatsächlichen Zahlen lesen sich ernüchternd und sogar ein wenig niederschlagend, denn aktuelle Untersuchungen zeigen: 1 kg Muskelmasse verbrennt nicht mehr als 12-20 Extra-Kilokalorien PRO TAG. [7] Nehmen wir uns einen idealtypischen Athleten zur Hand, der im Verlauf von einem Jahr 10 kg an Magermasse zulegt (was ein ambitioniertes Ziel ist) akkumuliert sich der Gesamtverbrauch auf 120-200 Kilokalorien, die dank der hinzugewonnenen „im höchsten Maße stoffwechselaktiven Masse“ hinzugewonnen wurden – dies entspricht im OPTIMUM (+200 kcal Verbrauch) nicht einmal dem Brennwert eines einfachen Hamburgers bei McDonald’s (255 kcal) bzw. 4 Oreo-Keksen (11g/Keks á 53 kcal). Nun gut – 120-200 Kilokalorien pro Tag ist ja nicht schlecht, doch es ist noch immer um Welten von den versprochenen 500-1000 kcal entfernt. Aber Moment, denn es wird noch besser.

Erst Masse drauf, dann definieren!

Das ist eine der beliebtesten Floskeln, die einem im örtlichen Studio am häufigsten begegnen, neben anderen beliebten Mythen, wie etwa „Hohe Wiederholungszahl für bessere Definition.“ Nachdem sich also unser (übergewichter) Athlet im örtlichen Studio abgequält und rund zehn Kilogramm schierer Masse draufgepackt hat, kommt es ihm in den Sinn endlich zu definieren, denn immerhin ist sein Ruhestoffwechsel nun höher als vorher und das Diäten sollte entsprechend leichter fallen. Während man nun davon ausgehen kann, dass unser Freund in der Aufbauphase mehr als 10 kg draufgepackt hat (10kg Muskeln + Anstieg des Körperfettanteils bei einer Ernährung mit Kalorienplus) und nun eine drastische Reduktion des KFA’s anstrebt, ist davon auszugehen dass mit dem Verlust des zusätzlichen Gewichts auch der (Ruhe)Stoffwechsel absinken wird. Nehmen wir weiterhin an, dass es unserem Freund – dank zusätzlichem aerobischen Training - gelingt rund 25 kg an Fett in einem weiteren Jahr abzubauen, ohne dabei signifikant an Muskelmasse (dank Erhaltungstraining) einzubüßen. Doch auch die unliebsame Fettmasse besitzt eine gewisse stoffwechselbedingte Aktivität (die nach derzeitiger Forschungslage bei 4-8 kcal pro Kilogramm pro Tag liegt). Dies summiert sich je nach Berechnung auf zu einem massebedingten Absinken des Stoffwechsels um 100-200 kcal, womit unser Filius in etwa einem Nullsummenspiel erlegen wäre (allerdings wäre jetzt anzunehmen, dass der von der Optik her wie ein neuer Mensch aussehen dürfte). Es ist aber davon auszugehen, dass auch die defizitäre Ernährung einen gewissen Preis fordern dürfte, womit es relativ schwierig sein dürfte ein Absinken des Stoffwechsels von vornherein zu verhindern. (Das heißt: sein Stoffwechsel wird durch den Masseverlust und die hormonelle Regulation des Stoffwechsels nach dem Ende der Diät niedriger sein, als zu Beginn seiner Reise)

Muskeln & Training: Warum sich der Aufwand trotzdem lohnt

Resümieren wir: Der zusätzliche Kalorienverbrauch der mit dem Muskelaufbau einhergeht, bewegt sich in weitaus geringeren Dimensionen, als es vermeintliche Experten und Bro-Scientologen gerne weismachen möchten – vor allem wenn man vergisst, dass Fettmasse ebenfalls eine gewisse Stoffwechselaktivität aufweist (Muskelzellen sind in etwa 3x so aktiv wie Fettzellen). Doch das Training und der Aufbau schierer Masse kann dennoch als eine gute Investition gesehen werden. In unserem obigen Szenario konnte der Athlet zwar durch das langjährige Training keinen signifikanten Mehrverbrauch seines Ruhestoffwechsels herbeiführen, doch man kann Haus und Hof darauf verwetten, dass die Unterschiede zu Beginn und zum Ende unseres Gedankenexperimentes wie Tag und Nacht ausfallen. In der Realität gestaltet sich die Quantifizierung der Effekte aber noch um einiges komplizierter. Klar sollte sein: Durch die zusätzliche Bewegung und das Training erhöht sich der Gesamtenergieverbrauch des Athleten und auch die Insulinsensitivität dürfte sich in größerem Umfang verbessert haben (wodurch eine Präferenz der Nährstoffpartition zu Gunsten der Muskulatur erfolgt, anstatt zur Fettmasse hin). Darüber hinaus schützt das Eisentraining während einer Definitionsphase vor dem Abbau der tongebenden Muskulatur, was positiv für die Optik gesehen werden kann und es ist auch davon auszugehen, dass unser Athlet einen aktivieren und gesünderen Lebensstil pflegt, als zuvor. Macht es Sinn Krafttraining zu betreiben, um seinen Ruhestoffwechsel kurz- bis mittelfristig zu pushen? Diese Frage dürfte verneint werden, denn dafür sind die Auswirkungen zu gering. Doch nimmt man alle anderen Faktoren (quantifizierbare wie nicht quantifizierbare) ins Kalkül auf, so macht es in jedem Fall Sinn zu trainieren. Egal ob vor einer Diätphase oder in Form eines begleitenden Trainings – das Eisenstemmen ist durchaus in der Lage den Stoffwechsel über andere Variablen, etwa Kalorienverbrauch durch Training, Schutz vor altersbedingtem Abbau von Magermasse, einer besseren Insulinsensitivität und zahlreichen weiteren stoffwechselbedingten Modifikationen (Endokrinologie) in entscheidendem Ausmaß zu beeinflussen.

Quellen

[1] Heymsfield, SB. / Gallagher, D. / Wang, Z. (2000): Body composition modeling. Application to exploration of the resting energy expenditure fat-free mass relationship. In: Annals oft the New York Academy of Science. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10865759. [2] Poehlman et al. (2002): Effects of endurance and resistance training on total daily energy expenditure in young women: a controlled randomized trial. In: The Journal of Clinical Endocrinologyy and Metabolism. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11889152. [3] Pratley et al. (1985): Strength training increases resting metabolic rate and norepinephrine levels in healthy 50- to 65-yr-old men. In: Journal of Applied Physiology. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8175496. [4] Wang et al. (2001): Resting Energy Expenditure: Systematic Organization and Critique of Prediction Methods. In: Obesity. URL: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1038/oby.2001.42/full. [6] Zurlo et al. (1990): Skeletal muscle metabolism is a major determinant of resting energy expenditure. In: The Journal of Clinical Investigation. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC296885/. [7] Wang et al. (2011): Evaluation of Specific Metabolic Rates of Major Organs and Tissues: Comparison Between Men and Women. In: American Journal of Human Biology. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3139779/.
Tags: Fett Muskelaufbau Kalorien stoffwechsel Definition Muskeln

Kommentare (2)

Peter klug

October 3, 2013 21:11

ja, alles gut und schön aber auch wenn ein Kiliogramm zusätzlich antrainierte Muskulatur im Jahr nur ca. 500Gramm Fett im Grundumsatz zusätzlich verbrennt, ist das auf Jahre berechnet schon signifikant...

Thore Deutsch

October 4, 2013 14:52

Nur mal so nebenbei gesagt... Bitte achtet mal auf die Rechtschreibung, weil diese auch für andere ein bisschen auf die Seriösität schließen lässt.

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