Wenn es um das Thema Proteinaufnahme geht kursieren die verrücktesten Theorien. Erst gestern habe ich von einer Diät erfahren, bei der man jede Stunde eine proteinmoderate Mahlzeit einnehmen soll da dies den Stoffwechsel auf Trab hält und Muskulatur vor dem Abbau schützt. Egal in welcher kalorischen Situation man sich befindet und wie es um die Protein- und Kohlenhydratversorgung bestellt ist scheint es schon fast Pflicht zu sein morgens Protein zuzuführen, da der Körper sich hier in einem Muskel katabolen Zustand befindet.
Lasst uns doch heute einmal ein wenig in die Biochemie des Menschen einsteigen um zu klären wie wichtig eine regelmäßige Proteinaufnahme wirklich ist
Grundlagen zum Stoffwechsel von Proteinen
Wenn es um den Stoffwechsel von Protein geht muss man wissen, dass der tägliche Proteinumsatz (Turnover) etwa 10mal höher liegt als die Zufuhr und die Ausscheidung von Protein. Der Grund dafür findet sich in Abläufen der Proteinbiosynthese und Proteolyse die sich mit hoher Geschwindigkeit Tag für Tag in unserem Körper abspielen. Man geht davon aus, dass sich unter bestimmten Bedingungen schon mit einer täglichen Proteinzufuhr von wenigstens 32g hochwertigem Protein eine ausgeglichene Proteinbilanz gewährleisten ließe, wenngleich der Proteinturnover eines normalen Erwachsenen irgendwo zwischen 200 und 300g (andere Quellen berichten sogar von 400g) liegt. Die Muskulatur eines normalen Erwachsenen setzt im Übrigen etwa 75g Protein pro Tag um.
Fazit
Der normale Erwachsene setzt täglich etwa 200-400g Protein um. Diese Zahl ist aber NICHT gleich bedeutend mit dem Bedarf
Aminosäurepool – Die Rolle der Leber und extrahepatischer Gewebe
Mit der Nahrung aufgenommene Proteine gelangen als Aminosäuren über die V. porae und weiter unter Zuhilfenahme verschiedener Transportsysteme in die Leber. Sie bilden dort mitunter den hepatischen Aminosäurepool. Gespeist wird er neben Nahrungsprotein auch von während der Proteolyse (Proteinabbau) gebildeten und in der Leber synthetisierten (also nicht essentiellen) Aminosäuren. In der Leber gespeicherte Aminosäuren dienen als Substrat zur Proteinsynthese. Bei Nahrungskarenz kann man davon ausgehen, dass das Kohlenstoffskelett der Aminosäuren für die Gluconeogenese verwendet wird.
Um extraheptaische Gewebe mit Aminosäuren zu versorgen werden diese zunächst ans Blutplasma abgegeben. Die Aminosäurekonzentration des Blutplasmas ist dabei relativ konstant. Auch in extrahepatischen Geweben bildet sich nach Aufnahme der Aminosäuren ein Aminosäurepool. Er dient der Proteinsynthese und möglicherweise auch als Energiesubstrat. Anders als Glykogen liefern extrahepatische Gewebe unter defizitären Bedingungen Aminosäuren die über das Blut zur Leber gelangen um dort wiederum für die Gluconeogenese eingesetzt zu werden. Interessant ist, dass sich unser Körper im Falle einer proteinarmen Ernährung adaptiert in dem er die Stickstoffausscheidung (N) minimiert.
Fazit
Der Aminosäurepool setzt sich neben einer kleinen Reserve im Blut aus Beständen in der Leber und der Muskulatur zusammen.
Wie lange halten unsere Reserven?
Die Frage die sich nun in Zusammenhang mit der Aufnahme von Protein stellt ist die, wie langer unsere Reserven, also unser Aminosäurepool eine Versorgung gewährleisten und einen ausgeglichenen Proteinturnover aufrechterhalten können. Zur Verfügung stehen Bestände in der Leber, freie Aminosäuren im Blut und der extrahepatische Aminosäurepool in den Muskeln der mit etwa 70-80% den größten Teil des Aminosäurepools darstellt.
Auch auf diese Frage finden sich in der Literatur mehrere Angaben. So kann man nachlesen, dass der Aminosäurepool gesamt für etwa 24 Stunden Proteinturnover ausreicht, andere Quellen sprechen von einem labilen Aminosäurepool der mit 100g gesättigt ist, während wiederum von anderen Quellen die Aussage einer theoretischen Verfügbarkeit von Aminosäuren für einen konstanten Proteinturnover für 8 Stunden die Rede ist. Im Falle der 100g theoretischer Gesamtpool und eines tägliches Umsatzes von 400g entspräche diese Reserve einer maximalen Versorgung über 6 Stunden. In allen Fällen wird von einer Bedarfs deckenden Versorgung ausgegangen!
Resümee
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wir tatsächlich über einen Aminosäurepool verfügen der eine fortwährende Aufnahme von Protein alle 2-3 Stunden in den meisten Fällen unnötig erscheinen lässt. Wichtig ist es grundsätzlich die Bedarfssituation an den jeweiligen Versorgungsstatus anzupassen. Bei bedarfsdeckener Versorgung mit Protein und Kohlenhydraten kann man von einer Proteinreserve von mindestens 6 Stunden ausgehen. Bei defizitärer Versorgung werden Aminosäuren neben dem Proteinturnover zudem für die Energiebereitstellung (Gluconeogenese) abgezogen und es muss möglicherweise von einem geringeren Füllstand des Aminosäurepools ausgegangen werden (Proteindefizit) so dass es sich hier anbietet, Protein etwas regelmäßiger bzw. mit kürzeren Pausen zwischen den Mahlzeiten zuzuführen. Die Frage der notwendigen Menge wird hier und heute nicht geklärt!
In der Praxis rechtfertigen diese Ausführungen in jedem Falle eine Proteinzufuhr vor dem Schlafen gehen sowie eine Proteinzufuhr nach dem Aufstehen. Die Proteinzufuhr direkt nach dem Training rechtfertigt sich ebenfalls, jedoch über weitere Mechanismen die ich in einem separaten Artikel ansprechen werde.
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Quellen
http://orthomolekular-gesund.de/allgemein/der-aminosaeurepool/
Basiswissen Biochemie – Löffler – Springer
http://www.laktatmessung.de/download/der_proteinstoffwechsel.pdf
http://user.medunigraz.at/helmut.hinghofer-szalkay/III.7.htm
http://www.ernaehrungsumschau.de/media/pdf/fachbuecher/ernaehrungslehre_schek_5_auflage_Antworten_05_13.pdf
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